Die Mainzer Nagelsäule
0.1.Zur Geschichte
Die Mainzer Nagelsäule in der Nähe des Doms ist das Ergebnis einer großen Spendenaktion während des Ersten Weltkrieges, welche vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Karl Emil Göttelmann ins Leben gerufen wurde. Grund für diese Spendenaktion waren die zunehmenden Versorgungsengpässe während des Krieges. Zu der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage, die sich in Form von Arbeitskräftemangel und Nahrungsmittelknappheit langsam bemerkbar machte, kamen die persönlichen Probleme einiger Familien, deren Ernährer in den Krieg gezogen oder bereits verwundet zurückgekehrt waren. Die dafür eingerichteten Ämter wie z.B. das „Amt für Unterstützung von Kriegsfamilien“ und der „Ortsausschuss der Stadt und des Landkreis Mainz zur Fürsorge für Kriegsbeschädigte“ kümmerten sich zu diesem Zeitpunkt schon um fast 10.000 Hinterbliebenen. [Anm. 1]
Nagelsäulen oder Nagelwappen wurden in diesen Tagen in verschiedenen deutschen Städten (z.B. in Speyer) in Verbindung mit einer Spendenaktion geschaffen. Neben der Hilfe für notleidende Mitbürger stellte die Errichtung eines solchen "Wahrzeichens" aber auch einen gemeinsamen Akt "vaterländischer Gesinnung" dar,[Anm. 2] denn für eine kleine oder große Summe Geld durfte jeder Bürger einen Nagel in eine Holzsäule oder ein Holzwappen schlagen und an den Feierlichkeiten rund um die Aufstellung teilnehmen. "Ein stolzes, trotziges und in der Form machtvolles Gebilde" [Anm. 3] wünschte demnach der Ausschreibungstext, der am 9.11.1915 veröffentlicht wurde.
Aus den 71, stark patriotisch geprägten Entwürfen wählte man am 23.12. 1915 den Entwurf des Stadtbaumeisters Adolf Gelius und des Bildhauers Ludwig Lipp aus. Am 1.7. 1916 wurde das Monument unter reger Beteiligung der Bevölkerung und in Anwesenheit des Mainzer Bischofs Kirstein sowie des Oberbürgermeisters Dr. Göttelmann eingeweiht. Selbst der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen war mit Frau und Prinzen anwesend. Für eine Reichs-Mark konnte man einen billigen Nagel, für 20 Reichs-Mark einen Nagel mit vergoldetem Kopf in die Eichensäule einschlagen und damit ein Zeichen seiner Hilfsbereitschaft setzen. Insgesamt kamen so 161.978,40 Mark Reinerlös zusammen. Das Geld erhielten vor allem die Hessische Sammlung der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Kriege Gefallenen, der Kreisverein Mainz des Roten Kreuz und die Stadt selbst, die auch kleineren Einrichtungen wie der Kriegskinderfürsorge, dem Verein der Ferienkolonien und dem Nationale Frauendienst Gelder zukommen ließ.[Anm. 4]
0.2.Zur Gestalt
Die Nagelsäule besteht aus einer sieben Meter hohen Mittelsäule, welche sich wiederum aus mehreren Eichenstämmen zusammensetzt, die durch Eisenringe zusammengehalten werden. Um sie herum finden sich drei weitere Nebensäulen aus Stein. Die Eisenbändern teilen die Mittelsäule in drei verschiedene Bereiche, welche sich jeweils einem anderen Thema widmen: (von unten nach oben) "Liebe", "Staat" und "Kriegsarbeit". Im Themenbereich "Liebe" sind verschiedene Frauengestalten dargestellt, welche sich für die Linderung der Not einsetzen. Sie sähen Korn, verteilen Brot und pflegen Verwundete. Im mittleren Bereich "Staat" sind der Reichsadler mit Kaiserkrone, das Mainzer Rad und der hessische Löwe dargestellt, während im Bereich "Kriegsarbeit" Figuren eines Waffenschmiedes, eines Soldaten mit Sohn und eines Kriegers mit Fahne zu sehen sind. Verschiedene Plaketten verweisen auf damals beteiligte Insitutionen, Vereine und Untenehmen.
Umlaufend liest man außerdem die vierte Strophe des im wilhelmistischen Kaiserreich populären Liedes von Max Schneckenburger "Wacht am Rhein":
"So lang ein Tropfen Blut noch glüht,
noch eine Faust den Degen zieht,
und noch ein Arm die Büchse spannt,
betritt kein Feind hier deinen Strand!
Lieb' Vaterland, magst ruhig sein,
fest steht und treu die Wacht am Rhein!"
Wurden in anderen deutschen Städten die Nagelsäulen nach dem Ersten Weltkrieg bald wieder entfernt, so stand die Mainzer Säule noch bis ins Jahr 2006 auf dem Liebfrauenplatz am Ostchor des Domes, musste dann jedoch aus Sicherheitsgründen aufgrund fehlender "Standfestigkeit" abgebaut werden. Die Stadt Mainz lies sie von Fachleuten des Landesamtes für Denkmalpflege und des Römisch-Germanischen Zentralmuseums sowie weiterer Spezialisten restaurieren und konnte die Arbeiten am 21. Juli 2011 erfolgreich abschließen.
Heute steht die Mainzer Nagelsäule wieder auf ihrem ursprünglichen Platz und erinnert als Denkmal an die schwere Zeit während des Ersten Weltkriegs.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff, Ann-Kathrin Zehender, K.T.
Literatur:
- Frank Teske: Die Nagelsäule. Zur Geschichte eines Mainzer Denkmals. In: Mainz und der Erste Weltkrieg. Mainzer Geschichtsblätter 14 (2008). S. 79-90.
- Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 2.2: Stadt Mainz. Bearb. v. Ewald Wegner. Worms 1988.
- Webseite der Stadt Mainz.
Aktualisiert am: 25.09.2014
Anmerkungen:
- Frank Teske, S. 79 spricht von 9.311 Familien, die vom "Amt für Unterstützung von Kriegsfamilien" und 208 Hinterbliebenen, die vom „Ortsausschuss der Stadt und des Landkreis Mainz zur Fürsorge für Kriegsbeschädigte“ unterstützt wurden. Zurück
- Teske, S. 80. Zurück
- Ausschreibungstext im Stadtarchiv Mainz 70/156, 1. Zurück
- Teske, S. 87. Zurück